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  Das Monster
 
Es war einfach herrlich.
Heute war einer dieser Tage, die man im Alltag viel zu selten erlebt. Ich lag auf meiner Couch, lauschte dem Rauschen der Bäume vor meinem Haus und genoss die Wärme. Draußen war es ziemlich ungemütlich und kalt. Der Wind, der vom schiefergrauen Himmel herabfegte, brachte den schweren Geruch von Regen mit sich. Aber sollte es ruhig regnen und stürmen, mir war das einerlei. Ich musste heute nicht mehr raus, hatte nichts Dringendes zu erledigen und tat einfach das, was ich am liebsten tat: auf der Couch liegen und dösen.
Bitte, verstehen sie mich nicht falsch, normalerweise bin ich sehr aktiv, treibe Sport und bin ein ziemlich durchtrainierter Typ, aber an Tagen wie diesem…
Trotzdem wurde ich das ungute Gefühl nicht los, dass ES heute noch auftauchen würde. ES, dieses Ding, das geradewegs aus der Hölle gekommen war, um mich zu peinigen, zu verhöhnen und das mich zu guter Letzt wahrscheinlich töten würde. Dieses Gefühl hinderte mich auch daran, fest einzuschlafen. Also döste ich nur und wartete. Und wartete…
Plötzlich schreckte ich hoch. Verdammt, ich war doch eingeschlafen. Doch nichts hatte sich getan. Vielleicht hatte ich ja gar nicht so lange geschlafen. Vielleicht hatte nur mein Unterbewusstsein reagiert und mich zusammenzucken lassen. Das tut es manchmal. Vor allem dann, wenn ich wirklich gerade am Einschlafen bin. Dann zuckt mein Körper, als hätte mein Hirn Angst, er fiele auseinander, wenn die Muskeln erschlaffen. Die einzig logische Konsequenz war, die Muskeln zu kontrahieren, um den Zerfall des Körpers zu verhindern.
Wissen Sie, für mich klingt das nicht logisch, aber wer bin ich, dass ich mir das Recht anmaße zu wissen, wie mein Gehirn arbeitet. Genau das Gegenteil ist der Fall. Und bisher bin ich damit recht gut durchs Leben gekommen.
Ich wollte mich gerade wieder gemütlich zusammenrollen, als es begann.
Oh ja, ich kannte dieses Ekel erregende Geräusch. Das Schleifen und Kratzen auf dem Fußboden, das Kreischen und Fiepen, als würden sich alle Ratten der Welt durch die Dielung fressen.
Meine Nackenhaare sträubten sich und standen in die Höhe. Bisher hatte ich es nur gehört, vielleicht verschwand es ja einfach wieder, wenn ich mich ruhig verhielt. Ja, das war die Lösung. Wenn ich dieses Ding einfach ignoriere, haut es wieder ab. Trotzdem waren meine Muskeln bis zum Zerreisen gespannt, damit ich mich sofort in die Höhe katapultieren konnte, sollte dieses Monster auftauchen.
Lauernd hockte ich auf meiner Couch und wartete. Das Kratzen und Schleifen kam näher.
Und näher…
Näher...
Plötzlich war ES da. Am helllichten Tag stand dieses unbeschreiblich grässliche Ding direkt in meinem Wohnzimmer. Doppelt so groß wie ich selbst. Sein Körper war gedrungen und hatte runde Füße, die scheinbar mit jedem Untergrund klar kamen. Der Schwanz war endlos lang, schwarz und dürr, wie ein Rattenschwanz. Aber das Schlimmste war dieser lange metallene Rüssel, der sich  an seinem unteren Ende zu einer gefräßigen, zahnlosen und behaarten Schnauze verdickte.
Augen schien dieser Dämon nicht zu besitzen. Offenbar konnte ES seine Opfer nur erschnüffeln.
Mir kam das zugute, denn wie gesagt war ich sehr durchtrainiert und bin immer wieder entwischt.
Plötzlich hatte das Monster mich entdeckt. Mit einem ohrenbetäubenden Brüllen und Fauchen schob es seinen Rüssel in meine Richtung. Ich wich zurück, wollte in der Couch versinken und bemerkte, dass ich nicht weiter kam. Zumindest nicht nach hinten.
Verdammt, der Weg von diesem Ding weg war mir versperrt.
 Ich wusste, sollte dieser brüllende Höllendämon mich vor seine Schnauze kriegen, würde ich nicht lange durchhalten. Das Monster würde mich zerfetzen, ob ich um Gnade schrie oder nicht. Es war unerbittlich und unmenschlich in seiner Gier und seiner Gefräßigkeit.
Fauchend ruckten die runden Füße vor, in meine Richtung.
Der einzige Fluchtweg, der mir jetzt noch blieb, war der über das Monster hinweg. Ich musste es einfach schaffen. Mit einem Ruck spannte ich die Muskeln meiner Schenkel und sprang. Dann setzte die Zeit irgendwie aus. Scheinbar in Zeitlupe segelte ich durch die Luft und sah den Dämon unter mir hindurchgleiten.
Die Zeit schnappte wieder ein, wie ein Gummiseil auf eine Rolle zurückschnappt und die Realität bewegte sich wieder mit normaler Geschwindigkeit.
Knapp hinter dem Monster schlug ich auf.
Ich schüttelte kurz den Kopf, um wieder klar zu werden.
Holte tief Luft und sprintete los. Der Weg zum rettenden Ausgang war kurz. Ich brauchte nur ein paar Sekunden, bis ich an der Tür stand.
Nein…dieses Vieh hatte die Tür verschlossen.
Ich war mit ihm in diesem Haus gefangen. Jeder Fluchtweg war versperrt.
Die Panik stieg nicht langsam in mir hoch, sie rollte über mich hinweg, wie ein Brecher auf stürmischer See. Einen klaren Gedanken zu fassen war mir nun nicht mehr möglich. Mein Kopf wirbelte herum und meine Augen rollten panisch in ihren Höhlen, um vielleicht doch noch einen Ausweg zu finden. Doch da war nichts. Der einzige Fluchtweg war versperrt, so endgültig geschlossen wie der Deckel eines Sarges.
Ich war nur noch von dem Wunsch beseelt, hier lebendig raus zu kommen und tat das Unlogischste, was man nur tun kann in dieser scheinbar todbringenden Situation: ich versteckte mich unter dem Tisch.
Meine Haare standen mir buchstäblich zu Berge und mein Herz vollführte einen irren Stepptanz in meiner Brust, als wollte es aus Furcht vor diesem Monster tanzend meinen Körper verlassen.
Über meinem Kopf erschien plötzlich eine riesige Hand. Doch anstatt noch mehr in eine rauschartige Panik zu verfallen, beruhigte ich mich ein wenig.
Ja, ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mit meinem Leben abgeschlossen und hielt diese wirklich riesige Pranke für die Hand Gottes. Sie würde mich nehmen und mich ins himmlische Reich führen. Alles würde gut werden.
Ein riesiger Fuß trat auf das Monster, verletzte es aber nicht. Zumindest glaubte ich, kein Blut oder ähnliches gesehen zu haben. Es gab nur ein kurzes Knacken und das Brüllen und Fauchen wurde leiser. Das Monster starb.
Innerlich jubelte ich. Die Hand und der Fuß Gottes hatten diesem Ding endlich sein, ihm zustehendes, Ende bereitet.
Und von ganz weit oben vernahm ich jetzt sogar die Stimme des Herrn. Des Herrn? Nein, das war doch eindeutig die Stimme einer Frau. Ich war verwirrt.  Sollte Gott weiblich sein?
Und vor allem, hatte Gott die Stimme einer Frau, die ich kannte? Unwahrscheinlich.
Die Stimme redete auf mich ein. Ich solle doch nicht immer so ängstlich sein.
Ja, das war ja leichter gesagt, als getan, denn…
…als Katze hat man nun mal panische Angst vor Staubsaugern.
 
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